DAS IST DIE HOMEPAGE VON MARTIN LUKSAN UND DES VEREINS FÜR RHETORIK UND BILD


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Intellekt kontra Trash

Das Sex- und Erotik Center und der Schreibwaren–Diskonter machen hoch differenzierte Angebote. Den Markt für sexuelle Dienstleistungen und Sexartikel kann wahrscheinlich nicht einmal ein Sexologe mehr überblicken (zB. der Psychosex kennt an die 40 Abweichungen vom normalen Sex), und der Markt für Gewalt und Horrorfilme beruht heute – genauso wie der Pornofilm - auf einer eigenen, fließbandartigen Produktion. Da gibt es Schlachthaus-, Zombie-, Vampir-, Alien- und Serienkiller Filme, deren DVD Umschläge wie die Wandmalereien in den alten Geisterbahnen aussehen.

Umgekehrt ist im Bildungsbereich der Trend zu „Alles in einem Band“, zum „Philosophischen Wörterbuch von A bis Z“, zum Konversationslexikon in 2 Bänden, zur „Zeitreise durch die Universalgeschichte“ festzustellen. Nur bündige Bildung wird noch verabreicht, jenen, die sich selber bilden; obwohl es die Universitätslehrer mit ihren fachchinesischen und meist auch schlecht geschriebenen Fachbüchern, die auseinander driftenden Wissenschaften, immer noch gibt. Der praktikable, an größere Bildung unabdingbar geknüpfte Intellekt ist heute nur noch bei den Leitartiklern und bei den Moderatoren von Radiosendungen zu finden, doch gerade bei Presse und Rundfunk sind Sprache und Begriff eigentümlich uniform. Die Leute im Besitz der Meinungshoheit scheinen – zumindest in Österreich - alle aus einer einzigen Denkschule zu kommen. Außerdem vermeiden sie alle die manchmal nötigen Erklärungen und Differenzierungen, weil diese den Unterhaltungswert der Rede verringern würden. Neben den populären Sachbüchern gibt es noch die unkritische Ratgeber-Publizistik, die sich von Wellness, Burnout und Depression bis zu „Wie werde ich reich?“ erstreckt. Hier ist der Intellekt sehr minimal, zumal es auch nie um größere Konnexe, sondern stets nur um spezifische Erfahrungen geht, deren Beschreibung das ganze Leben nicht sehen lassen.

Selbst in Zeiten wie diesen wird nicht vermehrt nachgedacht. ZB. wäre eine Deutung von Ausbildung und Bildung, von unselbständiger Arbeit und Arbeitslosigkeit, sowie eine Erklärung von Anpassung und Selbstgestaltung, von Erfolg und Misserfolg überaus interessant und auch verkaufbar. Doch in die Schulung und Verbreitung von Intellekt wird nirgendwo investiert. Dieses keineswegs monologische Kultursegment, dessen Tätigkeiten man genauso differenzieren könnte wie die Horrorfilme und den Schweinekram, wird sogar abgeriegelt, denn es wirken nur Star-Intellektuelle auf privilegierten Plätzen. Es sind angenehm und fließend sprechende Personen, die oft nur durch ein einziges Buch in ihren Hoheitsrang aufgestiegen sind, so wie Fußballer manchmal nur durch ein einziges Tor ihre Berühmtheit erlangen

Wie soll man sich diese Enthaltsamkeit und jenen Eifer anders erklären als durch den schlechten und den guten Markt? Es gibt Märkte, die bereichern und ertüchtigen, und solche, die das Gegenteil bewirken. Die Hersteller der Gewalt- und Horrorfilme dulden keine Suche des Käufers nach der Befriedigung, sie vermeiden jedwede Verzögerung des Absatzes, deshalb fächern sie die Welt der Bedürfnisse weit auf und wecken den neuen, leicht abgeänderten Pseudobedarf, wo immer ihnen dieses möglich ist. Vom Jugendschutz abgesehen, bedeutet der Verkauf von Foltersex DVDs sowie von Peitschen, Gummimösen und Gummischwänzen die Verbreitung des Gegenteils von Mäßigung, Nüchternheit und Erfolgsverhalten. Der Einzelne berauscht sich, entgrenzt sich, tritt ins Nicht-Menschliche ein (immer vorausgesetzt, er ist dazu vital genug, denn mangelt es an Vitalität, bewirkt diese lästige Kultur nur noch Schalheit und Verwirrung). Warum wird also dieser Trash augenzwinkernd erlaubt, mit Freiheitsargumenten gerechtfertigt, und betulich ausgeweitet, wohingegen der Intellekt auf angepasste Personen reduziert und ansonsten abgewertet wird? Weil der Markt für Intellekt andere Märkte gefährden würde. Weil die Lenkbarkeit und Unerwachsenheit der vielen Einzelnen im Zweifelsfall wichtiger sind als ein neuer Markt.

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